Rethems Schreckenszeit

Josef F. Heydendahl (1844–1906): Szene aus dem dreißigjährigem Krieg. Public Domain, wikimedia commons

Josef F. Heydendahl (1844–1906): Szene aus dem dreißigjährigem Krieg. Public Domain, wikimedia commons

Obwohl es auch im Mittelalter schon Fehden zwischen zerstrittenen Adligen gab – Rethems eigentliche Schreckenszeit begann erst im Dreißigjährigen Krieg. Die religiöse Überzeugung war damals noch keine individuelle Gewissensfrage, vielmehr war mit der Landesherrschaft auch die Stadt protestantisch geworden. Zunächst schienen die Bürger vom Krieg verschont zu bleiben, der sich noch anderswo austobte. Sieben Jahre lang währte dieser zerbrechliche Friede. Allenfalls wurde mal ein Pastor vertrieben, weil er ‚papistischer Umtriebe‘ verdächtig war.

Im Jahr 1625 rückten dann die Dänen in Rethem ein, der Krieg hatte die Stadt erreicht. Diebstahl, Brandschatzungen, Vergewaltigungen und Mord wurden zu alltäglichen Erfahrungen, trotz aller Notrufe konnte auch der Lüneburger Herzog nicht helfen. Auf die Dänen folgten erst Tilly, dann Wallenstein, dann Pappenheim, dann die Schweden usw. Alle aber wollten sie von den Einwohnern ernährt sein. ‚Das Land ernährt den Krieg‘, dies war die große Regel in jenen verheerenden Sturmjahren. Für ein einziges Fußregiment mussten Rethems Bürger an Wallenstein bpsw. folgendes liefern:

„5200 Pfd. Brodt, 1500 Pfd. Fleisch, 26 t. Bier, 1 Wispel Habern, 2 H. Salz. Vor den Stab: 6 Lemmer, etliche Butter, 1,1/2 Schock Eier, 1 Fäßlein Wein für den Obristen.“

Natürlich ohne Bezahlung. Und es gab immerhin sechs Regimenter, die derart zu versorgen waren. Nach Wallenstein kehrte wieder Pappenheim an die Aller zurück, mit ähnlichen Forderungen. Dann erneut die Schweden, dann erneut Pappenheim – und immer sollte die Stadt liefern, liefern, liefern. Andernfalls wurden die Fenster und Türrahmen zerschlagen und die Häuser gebrandschatzt.

Marodeure. Stahlstich aus der 'Gartenlaube' (1887). Gemeinfrei, Wikimedia Commons

Marodeure. Stahlstich aus der ‚Gartenlaube‘ (1887). Gemeinfrei, Wikimedia Commons

Die militärische Taktik der Söldnertruppen wurde in jener Zeit vollends auf das ‚Requirieren‘ umgestellt. So wuchsen die Kavallerieanteile in den Heeren nur deshalb so übermäßig, weil man zu Pferd längere Strecken zurücklegen konnte, um überhaupt noch unversehrte Dörfer und Weiler zum Plündern zu finden. Auf der rechten Allerseite grassierte derweil die Pest. Es kam zu Szenen, wie sie Hermann Löns im ‚Wehrwolf‘ beschreibt, das ganze Land war weithin entvölkert: „Außentorische nicht mehr vorhanden„, konstatierte damals schlicht der Rat der Stadt. Wer noch konnte, floh in die Wälder, oder er ging selbst ‚zu den Soldaten‘.

Glücklicherweise endete dieser große Krieg in Rethem nicht erst mit dem Westfälischen Frieden. Schon am 3. März 1642 trat ein Sonderfriede in Kraft. Die Herzöge von Braunschweig und Lüneburg gelobten dem Kaiser ihre Treue, die Bevölkerung wurde fortan von Söldnern nur noch beim ‚freien Durchzug‘ belästigt. Der Wiederaufbau der zerstörten Allerbrücke und der Burg konnte endlich beginnen.

(Zitate und Daten verdanken sich der Mittelhäußer’schen Chronik)