Zerstörung und Neubeginn

Rethem am Kriegsende, Blick in die Lange Straße / Foto: Slg. Wilhelm Richter, Stadtarchiv

Rethem am Kriegsende, Blick in die Lange Straße / Foto: Slg. Wilhelm Richter, Stadtarchiv

Als die letzten Schüsse verhallt waren, lag Rethem mal wieder am Boden: Viele Häuser waren von Granaten demoliert, der Strom war rationiert, die Allerbrücke gesprengt und die Eisenbahnverbindung in Richtung Schwarmstedt unterbrochen. Zudem wälzte sich ein unaufhörlicher Strom von Flüchtlingen aus dem Osten und aus ausgebombten Städten durch das Gebiet der künftigen Bundesrepublik; Menschen, die natürlich auch in Rethem Unterkunft suchten und fanden.

Schon während des Krieges gab es im ‚Gau Osthannover‘ 187.222 solcher obdachlosen Städter. An der Hainholzstraße entstanden damals fünf Behelfsheime, von den Einwohnern despektierlich ‚Klein Hamburg‘ genannt. Der sogenannte ‚Lastenausgleich‘ – im Prinzip eine Vermögenskonfiskation bei begüterten Bürgern im Westen – half damals, diese Nachkriegsprobleme zu bewältigen. In der Folge kam es natürlich zu sozialen Differenzen der Rethemer mit den zugezogenen ‚Landfremden‘, die sich erst allmählich legten. Glücklicherweise waren beim Wiederaufbau Arbeitskräfte ein knappes Gut, da viele Männer an der Front gefallen oder zu Krüppeln geschossen waren. So raufte man sich zusammen, auch erste ‚zarte Bande‘ wurden geknüpft.

Der Nahrungsmangel war das größte Problem, das sich aber in Rethem wegen der landwirtschaftlichen Umgebung nicht so gravierend auswirken konnte wie in den Großstädten. Auch der legendäre ‚Würger von Lichtenmoor‘, ein Wolf, der in der Umgebung Rethems Hunderte von Schafen und Kühen gerissen haben soll, gehört vermutlich in den Sagenkreis jener Schwarzschlachtungen, die damals hier zur Folklore zählten, um den allgemeinen Nahrungsmangel zu lindern:

Die ‚Zeit‘ schreibt in einer aufwändigen historischen Recherche zum Thema: „Auch der 61-jährige Bauer Hermann Gaatz aus Eilte, ein leidenschaftlicher und erfahrener Jäger, kann nicht umhin, sich sehr über das zu wundern, was ihm ein Jagdfreund über den kollektiven Tod von gleich zwanzig Schafen erzählt. Der Mann »meinte, dass das Hunde nicht allein gemacht haben könnten, denn die Beinknochen wären wie mit einem Beil abgehackt, dabei müssten auch Menschen geholfen haben. Ein anderer Nachbar berichtete mir, dass er morgens in aller Frühe zwei Schafe gefunden hätte, die vollständig aus dem Fell geschlagen waren, ein Schlachter hätte das nicht besser machen können, denn das Fell wäre völlig unversehrt gewesen. Das könnten keine Hunde gemacht haben.« (Der vollständige Artikel findet sich unter diesem Link)

Die vielen Flüchtlinge trugen dann ihren Teil zum allmählichen Aufschwung Rethems bei – ein Uhrmacher, ein Drogist und ein Elektriker aus den Reihen der Vertriebenen eröffneten in Rethem erfolgreich ihre Geschäfte. Die Währungsreform im Jahr 1948 ließ dann zunächst einmal die Preise in schwindelerregende Höhe schnellen, sorgte langfristig aber für die Stabilisierung des allmählichen Aufschwungs.