Geld lässt sich vermehren, die Anbauflächen bekanntlich nicht. Etabliert sich eine neue Industrie auf der gleichen Grundlage wie die bisherige – so im Falle der zunehmenden Biogasproduktion – dann ist ein Verdrängungswettbewerb unvermeidlich. Die Folgen sind unübersehbar, es ist jenes Phänomen, das im allgemeinen als ‚Vermaisung‘ der Landschaft beschrieben wird. Um die Optik soll es uns hier nicht gehen, uns interessieren die gesellschaftlichen Folgen, die diese Entwicklung auch für die Region Rethem haben könnte.

Pflanzliche Vielfalt im Heidekreis / Foto: Margret Dannemann-Jarchow

Pflanzliche Vielfalt im Heidekreis / Foto: Margret Dannemann-Jarchow

Der Laie oder Städter stellt sich die Bauernschaft gern als eine homogene Gruppe mit identischen Interessen vor. Das ist längst nicht mehr der Fall. In der Frage des Maisanbaus streiten sich ‚Landwirte neuen Typs‘ mit der traditionellen Landwirtschaft, die sich in einem Statement so äußert [alle Zitate im Text sind übrigens verlinkt, die Quellen mit einem Klick aufrufbar]:

„Die rosarote Darstellung der Biogasanlagenzukunft durch die Politiker ist völlig fehl am Platze!“, heißt es in einer Pressemitteilung der Landwirte. Der hohe Flächenbedarf für den Maisanbau führe zu einem „enormen Verdrängungswettbewerb mit den lebensmittelproduzierenden Landwirten“. Und diese sehen sich angesichts der Förderungen für die Gas-Wirte auf Grundlage des Erneuerbare-Energien-Gesetzes auf der Verliererseite.“

Der Wandel sei unausweichlich, heißt es gern von energiebäuerlicher Seite, Stimmen, wie sie sich bspw. im ‚Bauernverband‘ artikulieren: Wer nicht mithalten könne, der müsse eben weichen.

Ist das so? Mit guten Argumenten hantiert wiederum auch jene Ansicht, wonach dieser Wandel vor allem politisch vorangetrieben wurde, mit falschen oder übermäßigen ‚Anreizen‘ bei der Förderung durchs EEG. Zuvor jedoch ein paar Zahlen:

Wer eine Biogasanlage baut, der muss zunächst investieren. Die Kosten schwanken mit der Größe der Anlage, kleinere Fermenter kosten je Kilowattstunde mehr, größere weniger:

„Die Investitionskosten je kW installierter Leistung betragen zwischen ca. 2.000 und 3.000 €/kW für größere Anlagen und rund 5.000 bis 7.000 €/kW bei kleineren.“

Abgeerntetes Maisfeld / Bild: Axel Hindemith, wikimedia / CCL

Abgeerntetes Maisfeld / Bild: Axel Hindemith, wikimedia / CCL

Nehmen wir als Beispiel eine kleinere Anlage von vielleicht 500 kWh. Hierfür wären dann etwa 2,5 Mio. Euro an reinen Investitionskosten in die Technik nötig (500 kW x 5.000 Euro). Das aber ist noch nicht alles: Genügend Land für den Anbau von Energiemais sollte auch vorhanden sein, darüber hinaus müsste auch eine ‚Gülle-Fabrik‘ existieren, meist in Form eines eigenen Maststalls, um den pH-Wert beim Betrieb sicherzustellen.

Diese Investition soll sich jetzt rechnen, wobei vieles von der Nutzung der Abwärme abhängt. Kann auch die Wärme verkauft werden, erhöht sich der hier berechnete Ertrag noch weiter. Neuerdings – seit 2012 – ist diese duale Kraft-Wärme-Nutzung sogar vorgeschrieben.

Zunächst gäbe es den üblichen Einspeisepreis für elektrische Energie – derzeit so um die 20 Euro-Cent je kWh. Alle bis 2009 erbauten Biogasanlagen erhalten darüber hinaus für 20 garantierte Jahre noch den so genannten ‚Nawaro-Bonus‘ (Nawaro für ’nachwachsende Rohstoffe‘), sofern sie solche Rohstoffe vergären. Dieser Bonus beträgt bei einer 500 kW-Anlage derzeit sieben Cent je erzeugter kWh [Link]. Über den Daumen gepeilt, käme ein Investor bei unterbrechungsfreiem Betrieb damit im Jahr auf einen Erlös aus dem Stromverkauf von 0,27 Euro x 500 kWh Leistung x 24 Stunden x 365 Tage. Den Taschenrechner möge jeder jetzt selbst bemühen.

Solche Zahlen sind natürlich reine Theorie: Derartige Anlagen laufen niemals unterbrechungsfrei, die Äcker müssen bestellt, das Saatgut gekauft, Arbeitskräfte beschäftigt, Reparaturen und Steuern bezahlt, Gülle hinzubestellt, Transportkosten berechnet, Silageflächen angelegt, die Kredite bedient, Pachtflächen erworben werden. Trotzdem ist aus dieser idealisierten Rechnung deutlich geworden, dass selbst die verbleibende Rendite einer Biogasproduktion diejenige der traditionellen Landwirtschaft oft weit zu übersteigen vermag.

Flächen, um am Boom zu partizipieren, um also neue Maisfelder anzulegen, sind wiederum nicht beliebig verfügbar – weil die Ackerflächen nicht parallel zur neuen Wirtschaft mitgewachsen sind. Die Fläche an Grund und Boden ist nahezu konstant. Hieraus folgt der derzeitige ‚Krieg ums Land‘, die Pachtpreise explodieren, was nur die Verpächter erfreut. Der niedersächsische Landwirtschaftsminister stellt hierzu fest:

„In Cloppenburg müssten inzwischen für einen Hektar Ackerland Pachten von teilweise mehr als 1000 Euro berappt werden. Enorm angezogen hätten auch die Kaufpreise für landwirtschaftliche Flächen. Demnach lag der Wert für Ackerland 2003 noch bei durchschnittlich 16733 Euro in Niedersachsen; 2011 waren es dann bereits 23241 Euro. In der Region Weser-Ems wurden laut Agrarministerium 2012 sogar 39195 Euro erreicht.“

Das also wären die neuen ‚Mondpreise‘, bei denen eine traditionelle Landwirtschaft nicht länger mitbieten kann. Wer sich in unserer Region mit konventionellen Landwirten unterhält, der erntet daher nur Kopfnicken. Verschärft wird dieser Krieg um die Fläche noch, weil sich ein ganz neuer ‚Player‘ ins Spiel gemischt hat, da ein solcher ‚Goldrausch‘ auch andere Leute anlockt. Die Rede ist von jenen Investoren, die zunehmend mit Grund und Boden spekulieren:

„Zu den Ursachen gehöre aber auch, dass nicht landwirtschaftliche Investoren den Wettbewerb um die Pacht und den Ankauf von Acker- und Weideland noch verschärften. Privatleute, Firmen und Fondsgesellschaften betrachteten Boden zunehmend auch als profitable Kapitalanlage.“

Solche Leute verheben sich dann gelegentlich gewaltig. Auf der anderen Seite der Weser landeten kürzlich 33 solcher Biogasanlagen in der Insolvenz, davon 16 allein im Nordkreis Diepholz, die Anleger durften ihre Fondsanteile abschreiben:

„Den finanziellen Scherbenhaufen kehrt gegenwärtig der in Münster ansässige vorläufige Insolvenzverwalter Dr. Christoph Morgen in der Kanzlei Brinkmann und Partner zusammen. Der bemerkenswerte Berg von 33 betroffenen Biogasanlagen türme sich vor ihm auf, wie er inzwischen bestätigte. Allesamt stehen in Norddeutschland, der überwiegende Teil in Niedersachsen, und der Raum Syke sei mit der Hälfte der Anlagen am stärksten betroffen. Als ersten Schritt habe er den Verkauf der Anlagen auf den Weg gebracht.“

Die Goldgräberstimmung auf dem Biogas-Markt sorgt eben auch dafür, dass plötzlich die schönsten Excel-Kalkulationen nicht mehr aufgehen. Solche Investoren waren im Prinzip ‚landlose Gesellen‘, sie mussten alles Land fürs gärfähige Material hinzupachten, steigende Pachtpreise wiederum waren in ihrer Kalkulation nicht vorgesehen, obwohl sie für diesen Anstieg nach Kräften selbst mit gesorgt hatten.

Hier in der Samtgemeinde Rethem sind bisher zwar noch keine Investoren aufgeschlagen, was aber nicht heißt, dass wir davor gefeit wären. Und dass auch hier die Pachtpreise steigen und immer mehr Mais auf den Feldern ringsum wächst, davor kann wirklich niemand die Augen verschließen. Biogasanlagen sind gefräßig …

Eine solche Anlage benötigt für jedes Kilowatt ihrer Leistung überschlägig einen halben Hektar Land (50 x 100 m oder 5.000 qm), abhängig natürlich von der Bodengüte und dem konkreten Ernteertrag im jeweiligen Jahr. Eine 500-kWh-Anlage verlangt im Jahr somit 250 Hektar an Energiemaisfläche. Um diese Menge anschaulicher zu machen: An einem hundert Meter breiten Maisfeld für eine solche Anlage führe man 25 Kilometer weit entlang. Politisch schwenkt inzwischen selbst die CDU in ihren ländlichen Hochburgen um:

„Das mache sich besonders an dem ungebremsten Andrang, Hähnchenmastplätze zu errichten, fest, werde aber auch dadurch deutlich, dass aus der Überförderung von Biogasanlagen aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz die landwirtschaftlichen Flächen mit dem ungezügelten Maisanbau zu Monokulturen verkümmerten. In einigen Gemeinden liege der Maisanteil der ackerbaulichen Flächen inzwischen bei weit über 70 Prozent.

Niemand will andererseits die alternativen Energien abwürgen, die wir für die Energiewende so dringend benötigen. Denn Biogas ist im regenerativen Energiemix ‚grundlastfähig‘, es produziert also Energie unabhängig vom Wetter, anders als Sonne und Wind. Experten kamen daher auf die naheliegende Frage, ob der Mais eigentlich die einzig geeignete Energiepflanze sei, was natürlich prompt das Deutsche Maiskomitee [Link] erzürnt, wo sich derzeit die Interessen der Saatgutindustrie für Mais organisieren. Große Werbetafeln an jedem Maisfeld sollen uns künftig erfreuen. Tatsächlich aber experimentieren Landwirte anderswo schon mit Zuckerrüben oder Sonnenblumen. Hier deuten sich Alternativen an:

„Im Landkreis Rotenburg (Wümme), einer Hochburg mit 100 Biogasanlagen, haben in diesem Jahr Biogasbetreiber und Landwirte in Eigeninitiative und auf eigene Kosten mehrere Hektar Blühpflanzenmischungen ausgesät.“

Rethem inmitten von Sonnenblumenfeldern? Keine ganz unsympathische Vorstellung …

Ein Modell für die Südheide 2030? / Foto: Uwe Gerig, wikimedia commons, Deutsche Fotothek

Ein Modell für die Südheide 2030? / Foto: Uwe Gerig, wikimedia commons, Deutsche Fotothek