Grundsätzlich ist die Situation paradox: Während in den Großstädten angehende Mieter für eine Zweizimmerwohnung Schlange stehen, während die Mieten explodieren und die Interessenten sich datentechnisch für jedes Wohnklo ‚bis aufs Hemd ausziehen‘ müssen, gibt es hierzulande genügend Gewerbe- und auch Wohnraum für alle denkbaren Zwecke – preiswert, finanzierbar und problemlos.
Nehmen wir als Beispiel Rethems alten Bahnhof, der 1905 erbaut wurde. Seit im Jahr 1994 die Bahnstrecke stillgelegt wurde, nutzten die Besitzer ihn noch eine Zeitlang für Wohnzwecke. Das denkmalgeschützte Gebäude wäre heute im Prinzip ‚für’n Appel und’n Ei‘ zu haben (näheres weiß die Gruppe ‚Leerstand‘ im Arbeitskreis Stadtbild: 05021-861 73 85). Dieser Bahnhof liegt an einer heutzutage ruhigen Seitenstraße und ließe sich – mit seinem hellen Wartesaal und den zahlreichen Schuppen und dem üppigen Wohnraum – für alle möglichen Zwecke nutzen: als Künstleratelier, als IT-Werkstatt, als Aufnahmestudio, als Logistikzentrale eines Internet-Versandhandels, als Gebäude für altersgerechtes Wohnen – und, und, und. Einige notwendige Sanierungsmaßnahmen mit Hilfe des örtlichen Handwerks, und das Gemäuer wäre wieder flott – und schön wäre es dazu.
Obwohl Rethem im Prinzip jede notwendige Infrastruktur bereithält – Ärzte, Kinderbetreuung, Apotheke, Einkauf, Schule usw. – dürften Interessenten mit einem aber nicht rechnen: Dass sie dreimal lang hinschlagen und im Foyer eines Cinemaxx stehen, dass die abendliche Disco gleich um die Ecke liegt, oder dass ein Edelitaliener sie mit hohen Preisen lockt. Ein gewisse ‚Land-Affinität‘ sollte schon gegeben sein, aus der massenhaften Lektüre der ‚Landlust‘ im urbanen Raum müssten bloß mal Taten folgen.
Dafür aber gäbe es dann eine schier endlose Landschaft mit Marschen, Geest und Moor, ausgedehnte Wälder, Floßfahrten auf der Aller, Jagdgesellschaften und immerzu deftige Gerichte mit Hirsch- oder Wildschweinbraten. Und nette Leute obendrein. Auch nicht schlecht, wie wir finden.