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Der Fluss als Grenze

Hochwasser an der Aller / Foto: Klaus Jarchow

Hochwasser an der Aller / Foto: Klaus Jarchow

Ein Fluss verbindet die Menschen nicht nur, er trennt sie auch. Hierzulande macht es also schon einen Unterschied, ob man rechts oder links der Aller wohnt – vor allem bei Hochwasser. So schleppen sich bspw. in dieser Region noch heute Prozesse dahin, die sich um die Höhe von Schutzdeichen drehen.

Wirft eine Gemeinde nämlich mehr Lehm auf neue Deiche als vorgesehen war, dann ist sie natürlich auch besser vor künftigen Überschwemmungen geschützt als jene Gemeinden auf der anderen Seite des Flusses, wo die Deiche nicht so imposant gestaltet wurden. Im Falle eines Falles stünden dann eben dort die Wiesen unter Wasser – und nicht im eigenen Beritt. So finden Vermesser und Sachverständige im südlichen Heidekreis stets genügend Arbeit – und die nachfolgenden Urteile, die dann unter Umständen einen ‚Rückbau‘ verlangen, erzeugen nicht nur Kosten, sondern auch böses Blut.

Die Folgen sind dann nicht mehr nur rein sachlich begründet. Es entstehen im Laufe der Geschichte kulturelle Rivalitäten und ein unterschwelliges Misstrauen, das tief hinein in die bäuerliche Vergangenheit der Region reicht. Wer rechts der Aller wohnt, der hat Vorbehalte gegen die Leute links der Aller – wie auch umgekehrt.

Kleine Stadt mit großem Umland

Rethem vom anderen Allerufer her betrachtet / Bild: Klaus Jarchow

Rethem vom anderen Allerufer her betrachtet / Bild: Klaus Jarchow

Die Stadt Rethem zählt im Kern gerade mal 1.700 Einwohner, mit den dörflich verfassten Ortsteilen Stöcken, Rethem-Moor und Wohlendorf sind es knapp 2.400. Da die Stadt Rethem heute Teil einer Samtgemeinde ist, hat dies strukturelle Probleme zur Folge, die es anderswo nicht in der Form gibt. Umliegende Mitgliedsgemeinden – wie Böhme, Häuslingen oder Frankenfeld – können das urbane Zentrum bei politischen Entscheidungen mit ihrem Stimmgewicht dominieren und ihre spezifischen Anliegen leichter durchsetzen.

Wo sich größere Städte um ihr angegliedertes Umland wenig Gedanken machen müssen, weil ihre schiere Bevölkerungszahl die Politik stets zu einer Berücksichtigung städtischer Interessen zwingt, müssen Politiker der Samtgemeinde Rethem naturgemäß vor allem die bevölkerungsstarken Umlandgemeinden für sich gewinnen, um ihre Wiederwahl zu sichern. Bei den Kommunalwahlen im Mai 2014 zeigte das Ergebnis deutlich diese Tendenz: Der bisherige Bürgermeister der Samtgemeinde, Cort-Brün Voige, gewann die Wahl nur denkbar knapp, vor allem dank der Umlandgemeinden. In der Stadt aber zeigte der Daumen der Bewohnerinnen und Bewohner nach unten.

Der alte und neue Bürgermeister hat gesagt, dass er diesen Fingerzeig verstanden habe und künftig das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger Rethems zurückgewinnen wolle. Wir sollten ihn beim Wort nehmen … vor allem aber auf Taten achten.

Nachtrag: Der Samtgemeindebürgermeister hat sich über diesen Text heute (10. Juli 2014) echauffiert. Er habe das ’so nicht gesagt‘. Das ist schon klar, hätte er es ’so‘ gesagt, stünde seine Aussage ja in Anführungszeichen. Bleibt also die Folgerung, dass der Sinn seiner Aussagen falsch wiedergegeben worden sei, dass er vielleicht ‚den Fingerzeig nicht verstanden habe‘, obwohl das Wahlergebnis diese Einschätzung der Stadt doch mehr als deutlich macht. Ferner, dass er vielleicht ‚das Vertrauen der Stadt auch gar nicht zurückgewinnen will‘. Das wollen wir doch nicht hoffen. Der Teufel aber ist nun mal ein Logiker … siehe zum Thema auch diesen Brief des Forumsvorsitzenden Dieter Moll an Cort-Brün Voige.

An den blanken Fakten hingegen, also an den strukturellen Besonderheiten unserer Samtgemeinde, lässt sich wohl kaum deuteln, wo sogar die wohlgesonnene ‚Walsroder Zeitung‘ von einem ‚Herzschlagfinale‘ sprach: „154 Stimmen Vorsprung für Cort-Brün Voige: Stimmen aus Häuslingen und Böhme entscheiden am Ende die Wahl.“ Den Kommentar der gleichen Zeitung zur Wahl überschrieb Silvia Herrmann am 27. Mai 2014 mit „Ein abgestrafter Sieger„, die Analyse der Wahl direkt daneben trug die Headline: „Nicht die Stadt Rethem gegen die Dörfer ausspielen / Botschaft ist bei Cort-Brün Voige angekommen„. Mit anderen Worten: Auch er kennt die beschriebenen Konfliktlinien …

Hier der Artikel als pdf-Datei zum Download (1,63 MB)

Die 'Walsroder Zeitung' zur Wahl

Die ‚Walsroder Zeitung‘ zur Wahl