Giebel am Aushangkasten des Rathauses / Foto: Margret Dannemann-Jarchow

Giebel am Aushangkasten des Rathauses / Foto: Margret Dannemann-Jarchow

Die Privilegien der Stadt

Stadtluft macht frei‘, lautet eine alte Weisheit aus dem Mittelalter. Treffender müsste es heißen: ‚Stadtluft macht einige freier‘. Denn natürlich unterstanden auch kleine Städte weiterhin der Herrschaft von Herzögen oder Grafen – innerhalb der Städte beschränkte sich der Gewinn an Freiheit zumeist auf die Handwerksmeister und auf Händler, eine Schicht, die in größeren Städten auch ‚Patriziat‘ genannt wurde.

Diese beiden Gruppen lieferten sich überall im Reich erbitterte Kämpfe um die Ratssitze. Dass es diese Sitze gab, das war wiederum ein Gewinn an Freiheit, der aus der städtischen Verfassung erwuchs. Die Wählbarkeit zünftiger Einwohner zählte zu jenen neu gewonnen ‚Privilegien‘, die das Stadtrecht von 1353 besseren Bürgern verlieh, damit sie ihre Angelegenheiten künftig selbst verwalten konnten. Das erste Rathaus Rethems stand ungefähr dort, wo heute der ‚Alte Ratskeller‘ liegt.

Das Wahlrecht war aber nur ein Teil jener neu verliehenen Privilegien: Gleich vor dem Rathaus ragte am Brunnen der Schandpfahl oder Pranger empor, wo Delinquenten öffentlich zwischen Balken gefesselt zur Schau gestellt wurden. Diese Strafe, die auf dem neuen Privileg der ’niederen Rechtsprechung‘ ruhte, wurde oft schon für Vergehen ausgesprochen, die uns heute eher lässlich erscheinen, z.B. für ‚üble Nachrede‘. Für schlimmere Vergehen – Felddiebstahl, Holzklau, Schlägereien etc. – gab es dann noch das ‚Hundeloch‘ oder die ‚Wippe‘, wo der Straftäter in die Aller getunkt wurde, bis er drei Tage lang Wasser spuckte. Das Zeichen der ‚hohen Halsgerichtsbarkeit‘, die aber nur dem Amt und nicht der Stadt zukam, stand etwas außerhalb des Ortes, dort, wo heute noch eine Straße ‚Am Galgenberg‘ heißt.

Das dritte große Privileg war schließlich das Marktrecht, das den Rethemern aber schon bald wieder entglitt. Zu übermächtig war die wirtschaftliche Konkurrenz der Märkte in Nienburg, Ahlden und Walsrode. Ganze viermal fand im Mittelalter ein ‚Markttag‘ in Rethem statt.