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Tünköppe

Manchmal lassen sich niederdeutsche Wörter nicht eins zu eins ins Hochdeutsche übersetzen. So auch das Verb ‚tünen‘ (tüünen, tühnen), das mit ‚lügen‘ zu hart übersetzt wäre. Gleichgesetzt mit ’spinnen‘ wiederum erscheint es zu schwach. Denn etwas Angeberisches und Großmännisches schwingt da immer mit.

Ein ‚Tünkopp‘ oder ‚Tünbüddel‘ ist jemand, der uns gern ‚was vom Pferd erzählen‘ möchte, jemand, der gewohnheitsmäßig übertreibt oder die Fakten zu seinen Gunsten verzerrt. Besonders gern wird das Wort daher bspw. auf Gebrauchtwagenhändler, auf Politiker, Stammtischstrategen oder Staubsaugervertreter angewandt. Man hört’s – und weiß, was gemeint ist.

Schlüsselübergabe am alten Speicher

Nach der Schlüsselübergabe / Foto: Margret Dannemann-Jarchow

Nach der Schlüsselübergabe / Foto: Margret Dannemann-Jarchow

Der Kindergarten und die Londy-Schule erhielten heute ihre Schlüssel für den alten Speicher auf dem Gelände des Londy-Parks, damit sie dort Gerätschaften und Unterrichtsmaterialien lagern können. Die lokale Prominenz sprach herzliche Grußworte, auch das Ehrenamt wurde ausgiebig gewürdigt, das Schulorchester spielte auf, und für die Helfer gab es einen symbolischen Gutschein zur künftigen Wiedereröffnung des Alten Ratskellers. Denn auch der hat inzwischen den Besitzer gewechselt und erwartet seine neue Verwendung. Kurzum: Auf dem alten Toschi-Gelände, am Rethemer Fährsee, aber auch im alten Stadtzentrum um den Ratskeller herum – überall regt sich neues Leben in der Stadt. Rethem bewegt was …

Bockwindmühle als Baukasten / Foto Margret Dannemann-Jarchow

Die Bockwindmühle als Baukasten / Foto Margret Dannemann-Jarchow

Derweil haben die Restauratoren die alte Bockwindmühle fachgerecht zerlegt. Manch Besucher fragt sich bei diesem Anblick, wie Rethems Wahrzeichen solch tonnenschwere Eisenlasten auf nur einem Bein überhaupt tragen kann.

Missverstandene Ironie

Die Ironie ist eine Möglichkeit, das, was man eigentlich meint, ‚uneigentlich‘ auszudrücken. Ironisch gemeint wäre beispielweise der folgende Satz:

„Heini Huppsack ist ein großer Mann. Mit seinen anderthalb Metern überragt er sogar die stattlichsten Maulwurfshaufen unserer Gegend.“

‚Uneigentlich‘ bringe ich also zum Ausdruck, dass wir es hier mit einem Winzling zu tun haben, obwohl ich gleich eingangs das Gegenteil behauptete. Allzu viele Leute krallen sich aber unverdrossen am puren Wortsinn fest, wonach etwas, das so gedruckt ist, auch schon wahr sein müsse. Ihnen geht das Gefühl für ‚Sprachspiele‘ ab, zu denen auch die Ironie zählt.

So erging auch meinem Leserbrief zum Deichverband [Link]. Dr. Zink führte in seiner Reaktion darauf bereits jene Zeitgenossen an, die mich seltsamerweise jetzt zu den ‚Kunstgegnern‘ zählen würden. Und ein H. Busch aus Walsrode schrieb mir folgendes ins Stammbuch (WZ v. 6. September 2014):

„Nun erklärt uns Herr Dr. Jarchow aus Frankenfeld per Leserbrief, wie sehr ’schmuddeliger Tratsch‘, Maisfelder und wunderschöne Kunstwerke am Deich ihm gleichermaßen seinen Weitblick verstellen. Der Unterschied zwischen Kunst und Kunstdünger dürfte ihm sicherlich bekannt sein und wir müssen uns schon entscheiden, ob wir das Schöne und Erfreuliche wachsen lassen wollen oder nicht. Man kann Herrn Dr. Jarchow aber auch Mut bescheinigen. Ich hätte nicht gewagt, mich so eindeutig zu outen.“

Tscha, ‚friendly fire‘ nennt der Engländer so etwas wohl. Ach, Unverständnis ist der Sprache Lohn!

Bild: Richard Redgrave, wikimedia, gemeinfrei

Bild: Richard Redgrave, wikimedia, gemeinfrei

„Bräsige Deichgrafenpolitik“

Wilhelm Steffens, der ‚Vater des Aller-Leine-Tal-Projekts‘, hat sich jetzt auch in den Streit um das Wohlendorfer Projekt ‚Kunst auf dem Deich‘ eingeschaltet. Der Artikel in der Walsroder Zeitung‘ – leider nicht online – findet sich unterhalb von diesem Text (zum Vergrößern bitte klicken). Wilhelm Steffens wirft dem Deichverband vor, dass der in seiner ‚Argumentation‘, die er kaum als solche bezeichnen würde, weniger den Schutz des Deiches, sondern vielmehr den „Schutz vor Kunst“ im Sinne habe.

Wilhelm Steffens, WZ v. 4.9.2014

Wilhelm Steffens, WZ v. 4.9.2014

Provinzdarstellung

Mein Leserbrief an die Walsroder Zeitung in Sachen ‚Deichverband‘:

Deichinspektion / Bild Honoré Daumier, Public Domain, wikimedia

Deichinspektion / Bild Honoré Daumier, Public Domain, wikimedia

Ist das Verbot von „Kunst auf dem Deich“ eine Provinzposse? Eindeutig JA. Da werden fest verankerte Pflegehindernisse auf dem Deich vom Deichverband Rethem-Wohlendorf genehmigt und aufgebaut, temporär aufgestellte Kunstgegenstände im Nicht-Pflegemonat und Nicht-Hochwassermonat Juli aber verboten. Und wieso würde die Deichpflege eigentlich beeinträchtigt, wenn die Kunstwerke all die letzten Jahre schon immer auf einem privat gemähten Deichteilstück standen? Eine Antwort hat der Verband bis heute nicht geliefert.

Das Problem des Deichverbandes Rethem-Wohlendorf wird nun noch größer, da er mit dem Verbot eine Ungleichbehandlung von „Deichnutzern“ fabriziert hat. Deswegen werden jetzt Überlegungen angestellt, auch die auf dem Deich stehenden, allseits beliebten Bänke abzubauen. Fragen dazu: Werden nun auch die vielen anderen vom Deichverband genehmigten Objekte, wie Informationstafeln, Wegweiser und Absperrungen abgebaut? Und soll die Posse wirklich fortgesetzt werden, nur um eine Fehlentscheidung öffentlich weiterhin rechtfertigen zu können?

Das muss nicht sein. Der Verbotsbeschluss des Verbandes , dass es keine Nutzungsgenehmigungen mehr geben wird, impliziert bei gutwilliger Auslegung eben auch, dass bestehende Genehmigungen Bestand haben können. Bänke, Wegweiser und Skulpturen wären gerettet, viele Bürger dankbar.

Bedenklich ist allerdings, wie eben mit diesen Bürgern umgegangen wird. So wurde die veranstaltende Kulturgruppe nicht angehört, Gesprächsbitten vom Verbandsvorsteher ausgeschlagen, Briefe von seinem Vertreter nicht beantwortet usw. Auch macht man sich nicht die Mühe, vor Ort in Wohlendorf das „Gefahrenpotential“ Kunst zu inspizieren.

Noch bedenklicher ist, dass es diese Beispiele sind, die Bürger demotivieren und das Ehrenamt beschädigen. Am Ende leiden die Attraktivität und Zukunftsfähigkeit Rethems darunter. Ob das Vorgehen des Deichverbandes mit den Leitlinien und Zielen einer Körperschaft des öffentlichen Rechts in Einklang zu bringen ist, darf außerdem bezweifelt werden. Rechenschaftspflichtig ist er in jedem Fall.

Da auch bezweifelt werden darf, ob das Verbot formell belastbar ist, habe um die Bereitstellung der Verbandssatzung und Mitgliederprotokolle gebeten. Und, wie nicht anders zu erwarten war, blieb die Bitte erfolglos. Solange mir aber meine mir zustehenden Rechte nicht gewährt werden, werde ich keine Mitgliederzahlungen an den Deichverband Rethem mehr leisten. Eine auf den Bürger ausgerichtete und vom Ehrenamt getragene Körperschaft finanziere ich gern, einen Geheimbund nicht.

Dieter Moll

Kultur ist für Banausen

Auch das Fahrrad muss da weg / Foto: Southpark, Creative Commons, wikimedia

Auch das Fahrrad muss da weg / Foto: Southpark, Creative Commons, wikimedia

Die Rethemer Provinzposse um die Wohlendorfer Ausstellung ‚Kunst auf dem Deich‘ [Link] zieht immer weitere Kreise und unser armer Deichverband gerät zunehmend in die Defensive. Das darf nicht sein. Deshalb habe ich einen Leserbrief an die ‚Walsroder Zeitung‘ geschrieben, der heute dort erschien. Hier zu Dokumentationzwecken der Text:

: Der Deich darf keine Hauptrolle mehr spielen, WZ v. 21. 8. 2014

Es ist völlig richtig, dass der Deichgraf, Herr Heinz von Ueltzen, die Verschandelung unserer schönen Deichlandschaft mit fragwürdigen Objekten untersagt, welche landfremde Hungerkünstler alljährlich ungestraft nach Wohlendorf verbringen durften. Die Gefahren sind einfach zu groß. Die Aller ist ein wilder und unberechenbarer Fluss – besonders im Juli.

Natürlich gibt es in der Stadt Rethem einige schräge Figuren, die jetzt mit haltlosen Behauptungen herumzufuchteln beginnen: So soll dieser ‚beauftragte Unternehmer‘ selbst im Vorstand des Deichverbandes sitzen – das tuscheln jedenfalls einige Unbelehrbare. Solche Vetternwirtschaft wäre schon deshalb ein Ding der Unmöglichkeit, weil dann eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ja als Auftraggeber zugleich ihr eigener interessierter Auftragnehmer wäre. Schon fällt auch dies Kartenhaus in sich zusammen. Ich bitte daher, solch ebenso schmuddeligen wie grundlosen Tratsch umgehend dort zu entsorgen, wo er hingehört – im Mülleimer nämlich.

Wir sind froh, dass uns Bürgern der Deichverband den freien, unverstellten Blick auf die schöne Allerniederung zurückgegeben hat. Die Kunst aber soll sich gefälligst dahin zurückziehen, wo sie hingehört: in ihre unaufgeräumten Ateliers. Bei uns in Rethem hat sie nichts zu suchen. Der viele Mais und die schöne Natur sind uns Bürgern Kunst genug.

Dr. Klaus Jarchow,
Frankenfeld-Hedern

Hier noch ein weiterer Artikel der Verdener Aller-Zeitung zum Thema: [Link]

Reiche Stadt, armes Land?

Sicher, in den Städten sind die Gehälter höher als auf dem flachen Land. Das aber ist noch kein Beweis dafür, dass Städter auch besser leben. Die Frage ist immer, wie viel man sich für das Geld dann leisten kann. In den Städten fressen die höheren Mieten und die höheren Preise für Dienstleistungen den scheinbaren Lohnvorteil rasch wieder auf.

Städter sind relativ ärmer dran / Foto: Jonn Leffmann, Creative Commons, wikimedia

Städter sind relativ ärmer dran / Foto: Jonn Leffmann, Creative Commons, wikimedia

Eine Untersuchung der tatsächlichen Verhältnisse zwischen Stadt und Land wird daher immer die so genannte ‚Kaufkraftarmut‘ zugrundelegen, wie zum Beispiel diese Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln [Link hier].

Die Grafik dort zeigt uns dann, dass der Heidekreis beim relativen Wohlstand nicht nur weit vor den üblichen Verdächtigen wie Bremen, Frankfurt, Köln, Leipzig oder Berlin liegt, die faktische Kaufkraft im Heidekreis übertrifft sogar diejenige von München. Der Lohnzettel ist eben nicht alles …

Herbstkränze binden

Buntes Geschehen / Bild: Stephanie Knorr

Buntes Geschehen / Bild: Stephanie Knorr

Am 13. September 2014 lädt die Arbeitsgruppe Kunsthandwerk des Forum-Vereins Rethem alle Pflanzen- und Blumenfreunde ein, im Lührschen Haus unter dem Motto „Herbstzauber“ Herbstkränze selber zu binden.

Den Kurs leitet wie stets Stephanie Knorr. Zur Vorbereitung empfiehlt sie einen Spaziergang durch die frische Herbstluft und die ländliche Natur, um Materialien für den Kranz zu sammeln. Besonders gut lassen sich Moos, Getreide, Hortensien, Physalis, Hagebutten, Borke oder bunt belaubte Zweige verarbeiten. Falls vorhanden, sollten die Teilnehmer folgendes selbst mitbringen: Messer, Schere, Zier- und Wickeldraht, eine Kranzunterlage (‚Römer‘) und zusätzliches Material zum Dekorieren. Je nach Bedarf kann aber auch vor Ort Benötigtes erworben werden.

Der Kurs beginnt um 15.00 Uhr am Samstag, dem 13.09.2014, im Lührschen Haus auf dem Burghof von Rethem. Die Teilnahme kostet fünf Euro. Interessierte melden sich direkt bei Stephanie Knorr an:

Tel. 05166/930917
Mobil 0174/ 9472239
E-Mail info@knorr-mobile-floristik.de

Strategien im demographischen Wandel

Alt-Rethem / Foto: Margret Dannemann-Jarchow

Alt-Rethem / Foto: Margret Dannemann-Jarchow

Heute lautet die große Frage nicht mehr, ob der ‚demographische Wandel‘ kommt, sondern nur noch, wie er sich auswirken wird. Das Schrumpfen der Bevölkerung durch Überalterung und Abwanderung wird auch Rethem zunehmend härter treffen, weil die kleine Stadt nun mal zu den ‚ländlichsten Regionen‘ zählt. So nennen Bevölkerungswissenschaftler jene Räume, die vor allem dörflich geprägt sind und fern von großstädtischen Zentren liegen. Eine besonders handlungsorientierte Studie etlicher Autoren zu den Problemen, vor denen Kreise und Kommunen heute stehen, hat das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung vorgelegt. Sie umfasst 132 Seiten und kann hier als pdf-Datei heruntergeladen werden [Link].

Interessant ist es, dass in ihr verschiedene Strategien beschrieben werden, den unausweichlichen Schrumpfprozess politisch zu begleiten. Sie sollen hier kurz vorgestellt werden.

1. Die Vogel-Strauß-Strategie: Verwaltung und Bürger stecken den Kopf in den Sand und warten ab – nach dem guten alten Kölner Motto: ‚Et is noch immer jot jejange‘. Chancen bietet diese Strategie so gut wie keine, jedenfalls solange nicht massenhaft Babys und neue Arbeitsplätze plötzlich vom Himmel fallen. Allenfalls großstadtnahe und finanzstarke Gemeinden in einem ‚Speckgürtel‘ können sich eine solche Strategie leisten. Der einzige Vorteil bestünde darin, dass vorab keine finanziellen Mittel unnütz ausgegeben werden. Der Finanzierungsstau aber wüchse kontinuierlich. Am Ende eines solchen Weges stünde wohl die ‚Einheitsgemeinde‘, also die Aufgabe jeder kommunalen Selbstständigkeit dank des zunehmenden Drucks der Verhältnisse, aufgrund jahrelanger Untätigkeit.

2. Die Stegreif-Strategie: Man handelt nur dann reflexhaft, sobald Eingriffe unvermeidlich werden. Bürger, Politik und Verwaltung arbeiten sich dann an Symptomen und Folgen ab. Eine solche Strategie ist derzeit in Bad Fallingbostel live zu erleben, dort, wo ein plötzlicher Truppenabzug der Briten die Stadt vor unvorhergesehene Probleme stellte, weil man sich ‚auf ewig‘ mit den Soldaten eingerichtet hatte. Ein Szenario ohne Militär wurde dort nie auch nur präventiv diskutiert. Eine solche Strategie bietet für Kommunen hohe Risiken und kaum Chancen. Im Straßenverkehr nennt man dies ‚auf Sicht fahren‘. Wenn das Auto dann im Nebel vor die Mauer fuhr, folgen meist flehentliche Appelle an die nächsthöhere Verwaltungsebene, mit Fördermitteln einzugreifen. In Rethem dürfte sich ein solcher Wandel kaum so abrupt vollziehen, weil es hier keinen großen, nahezu monopolartigen Arbeitgeber gibt, zukunftsträchtig ist eine solche Strategie deshalb trotzdem nicht.

3. Die Sankt-Florians-Strategie: Eine Gemeinde mit einigen wenigen ‚Standortvorteilen‘ nutzt diese, um selbst Bevölkerung anderer Gemeinden anzuziehen – zum Beispiel mit der Existenz weiterführender Schulen, mit guter ärztlicher Versorgung, mit kulturellen Angeboten etc. Sie entginge damit dem demographischen Wandel gewissermaßen ‚auf Kosten anderer‘. Im südlichen Heidekreis ist ein solches Vorgehen wenig erfolgversprechend. Mit welchen Vorteilen gegenüber Nachbarstädten sollten Eystrup, Rethem oder Ahlden jeweils ausgerechnet für sich werben? Die unaufhaltsame ‚Konkurrenz um die Köpfe‘ findet heute im Wettbewerb mit großstädtischen Ballungsräumen statt. Eine solche Strategie könnte daher allenfalls funktionieren, wenn alle Landgemeinden gemeinsam und koordiniert in Konkurrenz zu den Großstädten um Menschen und Verdienstmöglichkeiten werben. Hierzu wäre aber auch ein Umdenken der Entscheidungsträger auf Landesebene nötig, die bisher mit ihren ‚Schlüsselzuweisungen‘ noch immer widersinnigerweise die Einwohner der Großstädte ‚veredeln‘, also das meiste Geld konsequent in die großen Städte lenken. Setzen wir aber einen solchen Strategiewechsel in der Landesplanung mal voraus, dann könnte dies eine erfolgversprechende Möglichkeit sein. Die Sehnsucht des Städters nach einem Leben auf dem Land ist unübersehbar vorhanden.

4. Die Cluster-Strategie, die auch ‚Miami-Strategie‘ genannt wird, weil diese amerikanische Stadt dank ihrer konsequenten Ausrichtung auf eine alternde Bevölkerung aus wohlhabenden Rentnern heute erfolgreich floriert. Gemeint ist also die zielgerichtete Förderung bestimmter Bevölkerungsgruppen – durchaus dann auf Kosten anderer. Dazu aber müsste in Rethem erst einmal ein Konsens entstehen, welche Art Stadt diese Gemeinde in Zukunft sein soll, wo also ihre ‚Marktlücke‘ liegt und wo sich ‚Kristallisationspunkte‘ bilden könnten: Eine Künstlerstadt wie Worpswede? Ein Technologiestandort im Allertal, also ein Silicon Valley im kleinen Maßstab? Eine Öko-Stadt der sauberen Energie? Oder vielleicht ein Anziehungspunkt für Migranten und Aussiedler, was wiederum die Geburtenrate beflügeln dürfte? Die Möglichkeiten wären zahlreich, nur müsste endlich mal Einigkeit – oder eine Vision –  hergestellt werden, bevor vorhandene Mittel bevorzugt einem ‚Markenkern‘ zufließen könnten.

5. Die Schrumpf-Strategie: Sie besagt, dass der Bevölkerungsrückgang sich nahezu unaufhaltsam fortsetzen wird, und dass man sich rechtzeitig darauf einstellen sollte. Die Infrastruktur würde dementsprechend frühzeitig an die Abwanderung angepasst. Zum Beispiel durch den Abriss – fürnehmer ausgedrückt: ‚Rückbau‘ – leerstehender Häuser. Durch das Verbot, weitere Bauflächen in Randlagen auszuweisen, um stattdessen Investitionen in den bestehenden Leerstand zu fördern. Vielleicht auch durch die Einflussnahme auf die Gesetzgebung, damit so in ‚Insellagen‘ dann wieder die gute alte Klärgrube statt des Anschlusses an ein kostenintensives Kanalnetz zu Ehren kommen könnte. Und generell durch die Anpassung aller Investitionen an den zukünftigen Schrumpfungsprozess, indem man den Fetisch des ‚Wachstums um jeden Preis‘ verabschiedet. Die Autoren der Studie schreiben:

„Finanzierungs- und Verteilungsprozesse sind derzeit noch zu stark darauf ausgerichtet, Wachstum zu belohnen – angesichts der absehbaren demographischen Entwicklung eine widersinnige Zielsetzung. Der kommunale Finanzausgleich staffelt Schlüssel- und Investitionszuweisungen nach ‚veredelter‘ Einwohnerzahl. Er sollte künftig positive Anreize für den gezielten Umbau setzen, damit die Kommunen insbesondere im peripheren ländlichen Raum zur Anpassung an den demographischen Wandel motiviert werden und die Lasten daraus tragen können.“